Zwischen den Rassen / Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy: Diana, Minerva, Venus. Band 1-3
Heinrich Mann
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За изданието
- ИздателствоKurt Wolff
- Град на издаванеLeipzig
- ГодинаБез година
- ЕзикНемски
- Страници1571
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Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy ist ein dreibändiger Roman von Heinrich Mann, der, 1899 und 1900 in Riva entworfen, vom November 1900 bis zum August 1902 geschrieben wurde und im Dezember 1902 erschien, vordatiert auf 1903.
Der Autor teilt am 2. Dezember 1900 seinem Verleger Albert Langen über Die Göttinnen mit: "Es sind die Abenteuer einer großen Dame aus Dalmatien. Im ersten Theile glüht sie vor Freiheitssehnen, im zweiten vor Kunstempfinden, im dritten vor Brunst. Sie ist bemerkenswerther Weise ein Mensch und wird ernst genommen; die meisten übrigen Figuren sind lustige Thiere".[1]
Inhaltsverzeichnis
1 Figuren
2 Handlung
2.1 Erster Band: Die Herzogin - eine Diana in Rom
2.2 Zweiter Band: Die Herzogin - eine Minerva in Venedig
2.3 Dritter Band: Die Herzogin - eine Venus in Neapel
3 Diana, Minerva, Venus
4 Zitate
5 Selbstzeugnisse
6 Rezeption
7 Literatur
8 Einzelnachweise
Figuren
Zara
Violante, Herzogin von Assy
Dr. Pavic, der Tribun, dalmatinischer Revolutionär, Christ
Baron Christian Rustschuk, Vermögensverwalter der Herzogin, Finanzier
Prinz Philipp (auch: Phili), Thronfolger im dalmatinischen Königshaus
Rom
Marchese di San Bacco, Christ, Demokrat und Edelmann, italienischer Abgeordneter, Oberst, Commendatore, Garibaldianer, Freiheitskämpfer, ehemals Korsar, Diktator
Monsignore Tamburini, Vikar des Kardinals in Palestrina
Kardinal Graf Anton Burnsheimb
Gräfin Cucuru
Vinon Cucuru, Tochter der Gräfin
Lilian Cucuru, Tochter der Gräfin
Advokat Orfeo Piselli, Patriot
Contessa Beatrice, genannt Blà (auch: Bice), Dichterin, Freundin der Herzogin
Paolo Della Pergola, Journalist
Venedig
Properzia Ponti, Bildhauerin
Lady Olympia Ragg, eine in Europa "umherstreichende Unkeusche"
Jakobus von Halm, Wiener Maler in Italien
Bettina von Halm, seine in Wien lebende Gattin
Linda von Halm, beider Töchterchen
Contessa Clelia Dolan, Halms Maklerin
Maurice de Mortœil aus Paris, ihr Gatte
Conte Dolan, ihr Vater, ehemals Properzias Makler
Nino Degrandis
Gina Degrandis, seine Mutter
Neapel
Jean Guignol, Dichter, Gatte von Vinon Cucuru
Don Saverio Cucuru, Bruder von Vinon
Sir 'Houston, Sohn Lady Olympias
Handlung
Der Roman handelt im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Er führt nach Zara (die alte Hauptstadt des Königreichs Dalmatien in der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn), Rom, Venedig und Neapel sowie in die weiteren Umgebungen dieser drei italienischen Städte.
Erster Band: Die Herzogin - eine Diana in Rom
Einband der Erstausgabe 1903
Tiziano Vecellio (* um 1477; † 1576): Diana und Kallisto
Die Flucht nach Italien
Die Besitzer der Ländereien in Dalmatien sind Italiener. Die einheimische slawische Bevölkerung, die Morlaken, sind Habenichtse. In einem "Waschzettel" schreibt Heinrich Mann um 1902: "In dem ersten ihrer Romane sieht man die Herzogin jung, nach Freiheit und nach Thaten dürstend, und immer in Bewegung, wie eine Jägerin Diana, ihr Land Dalmatien durchstreifen ... Sie veranlaßt politische Aufstände ... Anstatt Königin zu werden, muß die Herzogin über das Meer flüchten".[2] Im offenen Boot über die stürmische Adria immer westwärts, wird die "sehr schlanke" Frau mit den "schmalen Schultern" vom feigen Pavic begleitet, einem dalmatinischen Staatsverbrecher und "romantischen Revolutionär". Pavic war in Zara ihr Werkzeug während ihrer dalmatinischen Revolution im aussichtslosen Kampf um Freiheit, Gerechtigkeit, Aufklärung und Wohlstand. Pavic, "der fromme Sohn armer Leute", war es auch, der die 22 Jahre junge Witwe in ihrem Palast auf dem Sofa unter der goldenen Herzogskrone vergewaltigte. Pavic zeigte der Herzogin gleich hinterher Gewissensbisse, aber das Opfer mit den "gerundeten Armen" zuckte nur die Schulter. Pavic kann sich seine Schwäche unmittelbar nach dem Geschlechtsakt nicht verzeihen, denn der Mann muss die Frau demütigen, meint er. Auf der Flucht verliert Pavic auf hoher See den einzigen Sohn. Das Kind wird bei rauer See über Bord der schwerfälligen Segelbarke gespült. Pavic kann den Verlust nicht verwinden und gibt der Herzogin die Schuld. Die Flüchtlinge landen bei Ancona.
Die dalmatinische Mönchsrevolte
Als politischer Flüchtling findet die "unfromme" Herzogin, der "bunte Vogel", Asyl bei den Mönchen im Kloster in der grauen Bergstadt Palestrina. Die Herzogin weiß, ihre Volksrede in Zara, die Pächterunruhen und überhaupt - ihre ganze Revolution in Dalmatien hat sie durch ihr romantisches Vorgehen, durch ihr Ungeschick, verdorben. Also gibt sie den zweiten Versuch der "dalmatinischen Staatsumwälzung" in professionellere - sprich katholische - Hände. Vikar Monsignore Tamburini zettelt von Rom aus eine Revolte an, die von dalmatinischen Mönchen forciert wird. Auch diese scheitert. Der Vikar war nur auf das Geld der Herzogin aus. Da er es nicht erhält, macht er seinem Ärger Luft. Die Herzogin, nicht verlegen, gibt zurück, "das Leben von einigen tausend Menschen" sei ihr und ihm "völlig gleichgültig". Tamburinis Vorgesetzter, der Kardinal, duldet scheinheilig die revolutionären Umtriebe des machtgierigen, geldhungrigen Untergebenen. Gräfin Cucuru, "seit vierzig Jahren die Mätresse des Kardinals", versucht ebenfalls, ihr Geschäft mit der Asylantin zu machen. Brieflich verrät sie die Revolte der verbannten Herzogin an den dalmatinischen Gesandten in Rom.
Die Finanzministerin
Pavic lernt auf dem Korso den Advokaten Orfeo Piselli kennen und stellt ihn der Herzogin vor. Die Blà, Römerin, Dichterin, vertraute Freundin und Kassenverwalterin der Herzogin, verliebt sich sofort unsterblich in den Advokaten. Piselli ist ein Glücksspieler, der die erforderlichen Mittel aus der herzoglichen Kasse entwendet. Das wird möglich, nachdem die Blà ihm sexuell hörig geworden ist. Schließlich sucht er die "überanstrengte, abgemagerte" Dichterin nur noch mit der Reitpeitsche auf. Selbst in diesem Stadium kann die Durchgeprügelte nicht von dem Unhold lassen und gibt ihm das letzte Geld. Die Blà wird von Piselli lebensbedrohlich verletzt. Die Herzogin besucht die Freundin, als diese auf dem Sterbelager liegt, hält ihr ihren Verrat vor und verzeiht ihr schließlich die Untreue.
Der Demokrat
Marchese di San Bacco, einer der Freiheitskämpfer um Pavic, macht der Herzogin einen Heiratsantrag und wird abgewiesen. San Bacco verlässt Rom und begibt sich umgehend in das nächste Revolutionsgebiet - nach Bulgarien. Später kommt er wieder.
Der Skribent
Der Journalist Paolo Della Pergola ist in die Herzogin "vollständig verliebt" und geht ebenfalls gleich aufs Ganze. Er will der Herzogin seine Feder leihen für Dalmatien, das Ziegenreich. Die schöne junge Frau aber möchte er dafür als Bezahlung besitzen. Die vorsichtige Herzogin fordert einen sichtbaren Erfolg der Schreiberei Della Pergolas, bevor sie seine Geliebte wird. Pavic, der Eifersüchtige, macht dem Mann neben der Druckerpresse einen Strich durch die Rechnung. Pavic plaudert dem "ekelhaft ruhmredigen" Della Pergola sein Geheimnis aus - eben jenes mit der Herzogin auf dem Sofa unter der goldenen Herzogskrone. Der tief enttäuschte Skribent publiziert einen verleumderischen Artikel. Tribun Pavic lässt den Schreiber "bühnengerecht" ermorden. Der Tribun selber nimmt keinen Dolch in die Hand. Er kann kein Blut sehen.
Der Maler
Jakobus Halm malt die Herzogin. Mit dem Porträt möchte er einen Hochmut darstellen, "der nur sich kennt". Das Malen ist diesem Künstler Zwang geworden.
Das Finale
Nach der gescheiterten zweiten dalmatinischen Revolte wird die Herzogin vom dalmatinischen Gesandten in Rom aufgesucht. Erfreulicherweise, so eröffnet ihr der Besuch, wurde die Konfiskation ihrer Güter aufgehoben. Dann warnt er sie noch vor ihren Freunden. Obwohl der Gesandte zu den Siegern gehört und die ganze Zeit zu einer Verliererin spricht, kommt er sich hinterher unterlegen vor und fragt sich: "Welche Macht hat diese Frau?"
Die Freundin Blà ist gestorben, und die Herzogin fühlt sich in Rom heimatlos. Ihr Vermögen hat die Herzogin zurück. Also will sie sich fürderhin ganz der Kunst widmen und geht nach Venedig. Schließlich ist sie die späte Enkelin eines Condottiere der Republik.
Zweiter Band: Die Herzogin - eine Minerva in Venedig
Einband des Erstdruckes 1903
Minerva
Endstation Irrenhaus
Der zweite Band Minerva eruiert die Frage: Wird sich die Herzogin zum Beischlaf mit dem Maler Halm bereitfinden? Die Herzogin macht es sich und dem Leser nicht leicht. In einem selbstquälerischen Prozess, der über fast neun Jahre verläuft, ringt sie sich schließlich am Ende des zweiten Bandes zu dem Akt - oder einer ganzen Serie von solchen - durch. Das kann nicht so schnell gehen, denn die Herzogin will unbedingt frei sein. Halm hingegen fordert von der Frau seiner Wahl Unterwerfung. Dafür ist die Herzogin zunächst nicht zu haben. Genauso hartnäckig wie die Herzogin allerdings ist auch Halm. Kurz entschlossen reist der 35-Jährige der Herzogin von Rom nach Venedig hinterdrein und bleibt die ganzen Jahre in ihrem Umkreis. Immer "das Tier in sich", fordert Halm von der Herzogin, mitunter ziemlich unhöflich, dass sie ihn "erhören muß". Natürlich stößt er da bei der adeligen Dame auf Widerstand. Die Herzogin, die langsam älter, aber keineswegs kälter wird, ist noch "formenreich, gepflegt, sehr weiblich und überaus begehrenswert". Erst als Halms Gattin Bettina, vor der sich der potente Gatte ekelt, aus Wien auf Betreiben der Intrigantin Contessa Clelia Dolan anreist, lässt sich die Herzogin von Halms Ehefrau zur Venus-Rolle überreden: Der 44-jährige Meister könne das große Kunstwerk Venus doch nur schaffen, wenn er das inzwischen 39-jährige Modell zuvor gründlich beschlafe. Gesagt, getan - unter "den schweren Bildern eines keuchenden Glücks stürmt" Halm "auf die Glieder" der Herzogin ein. Es kommt, wie es kommen muss. Die Venus wird nicht gemalt. Halm will sein Nackt-Modell nur noch vergewaltigen. Wie Fremde gehen beide auseinander. Bettina, die ihren Ehemann sehr liebt, hat den Mund zu voll genommen und landet im Irrenhaus.
Nino
Die Vorgänge im zweiten Band sind weit komplizierter und vor allem verflochtener, als soeben in ein paar Sätzen zusammengefasst. Die Herzogin, beständig auf der Hatz nach dem Schönen, sucht dieses nicht nur in der Kunst, sondern auch im Lebendigen. Also verfolgt sie den schönen Knaben Nino Degrandis, der an der Hand seiner verzagten Mutter Gina Degrandis durch Venedig streift. Gina ist in Betrachtung ihrer "lieben Kunstwerke" versunken. Die Herzogin wirft tiefe Blicke, die schließlich von dem 13-Jährigen schüchtern erwidert werden. Wie es der Zufall will - die Herzogin erkennt in Gina eine ihrer ersten Fluchthelferinnen von damals auf dem Wege nach Palestrina (siehe oben). Gina ist das bedauernswerte Opfer eines rohen Gatten.
Die zarte Liebesgeschichte zwischen Nino und der Herzogin gipfelt in einem gemeinsamen Aufenthalt des ungleichen Paares auf einem märchenhaften Anwesen in der Umgebung Venedigs. Obwohl die Herzogin für die Abwesenheit der Mutter Ninos gesorgt hat, passiert nichts zwischen dem "Paar". Die Herzogin ist die erste Liebe Ninos, der inzwischen 14 Jahre alt geworden ist. Die Herzogin nennt Nino nur ihren Freund. Als dann der Maler Halm erscheint und sich endlich als Beischläfer hervortun möchte, hat Nino seine Schuldigkeit getan und wird von der paarungsbereiten Herzogin fortgeschickt. Sobald er ein Mann ist, darf Nino vielleicht wiederkommen, doch nicht nach Venedig.
Noch einen Herren, der aus dem ersten Band bekannt ist, nennt die Herzogin ihren Freund - den alten Ritter Marchese di San Bacco, aus Bulgarien längst heimgekommen und gerade mal Politiker in Rom. San Bacco, der die Herzogin noch zärtlicher als früher liebt, ist inzwischen über sechzig Jahre alt. Der Marchese, der sich von seinen "parlamentarischen Fechterkünsten" in der Provinz erholt, macht sich seinerseits Nino zum Freund, indem er dem sehnlichsten Wunsch des schwächlichen Nino entgegenkommt - Mann werden, um die Herzogin zu lieben. Man ficht mit Stöcken. Man benimmt sich ehrenhaft. San Bacco duelliert sich mit seinem Feinde, dem Herrn Maurice von Mortœil aus Paris - natürlich wegen einer Nichtigkeit.
Mortœil
Properzia Ponti (siehe unten) ist Mortœil bis zuletzt genau so ergeben wie Blà es Piselli war (erster Band). Allerdings peitscht Mortœil Properzia nicht aus. Der "spitzfindige Schwächling" treibt sie mit feineren Mitteln ins Verderben. Properzia, die große starke Bildhauerin, wurde auch vom Conte Dolan ausgebeutet und zwar künstlerisch. Mortœil wird der Schwiegersohn Dolans, indem er Clelia ehelicht. Clelia, herrschsüchtig, die sich zu Halms "Herrin aufwarf", will die Herzogin und den Maler auseinander bringen. Nino, der ja die Herzogin liebt, hasst auch den Nebenbuhler Halm. Nino hasst obendrein Mortœil, weil dieser Pariser sich mit seinem geliebten San Bacco duellierte und dabei dem väterlichen Freund das Gesicht arg zersäbelte. Der Ehrenmann San Bacco aber verzeiht nach seinem 33. Duell selbst solche bedenklichen Schmisse gern.
Geschichten über Geschichten - "Die sich erdolchte"
Die Geschichte der Herzogin von Assy rahmt teilweise anrührende Binnenerzählungen. Da ist Properzia, "eine von Europas berühmten Frauen": Bildhauerin, vormals Bauernkind aus der römischen Campagna, "nie schön gewesen" und Vergewaltigungsopfer wie die Herzogin. Zwar physisch stark, unterliegt sie zwei noch stärkeren Männern. Properzia steht somit in der Reihe der Verliererinnen als da sind: Blà, Gina und Bettina. Blà und Properzia können gleichsam als Schwestern angesehen werden: Sind sie doch beide begnadete Künstlerinnen, halten doch beide Abgewiesenen - "lächerlich und großartig, ohne Scham und ohne Würde" - an dem heiß geliebten Manne fest, unbegreiflicherweise auch noch, nachdem dieser sie in den Dreck "gestampft" hat. Schließlich erdolcht sich Properzia.
Das Finale
Der alte Marchese di San Bacco stirbt. Die Herzogin, 40-jährig, in sich "die Kraft von hundert Menschenleben", im Gegensatz zu ihren glücklosen Freundinnen die ewige Gewinnerin, geht nach Neapel.
Dritter Band: Die Herzogin - eine Venus in Neapel
Einband des Erstdruckes 1903
Alessandro Allori (* 1535 † 1607): Venus und Cupido
Leute glücklich machen
Das Sterben der Herzogin wird im dritten Band erzählt. An ihrem Sterbebett bekennt einer ihrer Feinde, er habe "nie und nirgends einen Heiden gesehen, wie diese Frau einer war". Zunächst aber liebt die Heidin noch begierig, ohne "Maß und Ende", schenkt einem "wilden Ziegenhirten" nahe bei Neapel ein Landgut, das dieser, auf einmal "patriarchalischer Despot" geworden, an sich reißt. Die Herzogin schätzte jene bäurischen Typen schon in Dalmatien, in Rom und in Venedig. Ein "junger Flötenbläser" liebt die Herzogin am Strande. Nicht nur ihre "ausladenden Hüften", ihre "Arme, weiß und edel", ihre "volle und weiße Schulter" machen ihm zu schaffen. Im Umkreis der Herzogin lieben den armen Flötenbläser noch andere Frauen so lange, bis er stirbt.
In Neapel, einem Zentrum der zur See fahrenden mediterranen Welt, landen die Reichen und Mächtigen als Vergnügungsreisende selbst von fernen Ufern. Auch aus Dalmatien reist Phili, König von Dalmatien geworden, mit seinem mächtigen Minister Rustschuk an. Beide Herren möchten von der Herzogin geliebt werden. Phili macht ihr in perfektem Wienerisch einen Antrag; will sogar seine Königin zum Teufel jagen. Die Herzogin hat nichts übrig für Phili, den Rustschuk, dieser Opportunist und Verräter, zum König gemacht hat. Wäre doch die Herzogin nach dem Tode des Königs Nikolaus genauso eine Thronanwärterin gewesen.
Auch die Kinder jener Gräfin Cucuru aus Rom - Lilian, Vinon und Don Saverio - versammeln sich in Neapel um die Herzogin. In Rom halfen sie ihrer Mutter, die Herzogin beim dalmatinischen Gesandten zu denunzieren, und nun in Neapel wetteifern sie mit der Herzogin, die "Leute glücklich zu machen". Lilian veranstaltet "lesbische Spiele".
Zu den Glücksuchern zählt auch der Dichter Jean Guignol. Er schätzt die Herzogin ein als den "leichten Geist", als "ein Spiel, das täglich neu ist; sehr gütig, frivol, grausam, achtlos" und "übermütig". Guignol ist hin und her gerissen. Soll sich sein Geist dem Fleisch, das Venus heißt, unterwerfen? Er fürchtet sich vor der "steinernen und grausamen" Venus. Die Herzogin hingegen findet den Dichter langweilig. Wohlgefällig hingegen ruht ihr Auge auf Don Saverio, einem "wildriechenden Tier", das über sie herfällt. Da geschieht auf einmal etwas ganz Neues. Als Don Saverio sich wieder nackt vor der Herzogin reckt und streckt, zittert sie vor ihm. Aus ist es mit ihrer Unbekümmertheit. Sie will aber nicht zu den Schwachen zählen. Inzwischen im "kritischen Lebensalter" angekommen, hat die Herzogin nach "starken Umarmungen" Herzbeschwerden. "Kleine Wäscherinnen" liebt die Herzogin auch. Lady Olympia reist an und ihr erwachsener Sohn Sir Houston.
Ninos Wiederkehr
Nino, inzwischen schön, stark und erwachsen geworden, taucht auf. Die Herzogin und Nino lieben sich während eines Sommergewitters in der Meeresbrandung. Nach dem Akt mit dem Jüngling entsteigt die nicht mehr junge Herzogin den Fluten gleichsam als die "Schaumgeborene". Rustschuk, der die Herzogin unbedingt auch einmal besitzen möchte, so wie die vielen Männer in Neapel sie besessen haben, will Nino für seine Absicht einspannen. Nino, ein neuer Garibaldi, ist nicht käuflich. In Gesprächen mit der Herzogin erfährt Nino, wonach seine Geliebte strebte: nach Freiheit, nach Kunst und nach Liebe. Nino bleibt nicht lange in Neapel. Auswärts kämpft er in einer Schar junger Männer gegen den Sozialismus. Die verlassene Herzogin tröstet sich, ungeachtet ihres "mürben Fleisches", mit anderen jungen Mädchen und Männern. Auch Sir Houston steigt, mit Genehmigung seiner Mutter, zu der "Anbeterin des menschlichen Körpers" ins Bett. Solcher "Ausbruch später Wollust" hinterlässt mit der Zeit Spuren. Nach Übelkeit, Schwindel und Herzklopfen nimmt die Herzogin, ein wenig müde von den vielen Männern, Morphin.
Das Finale
Jean Guignol tötet sich. Die Herzogin feiert unbeeindruckt und unbekümmert weiter entlang des Golfs von Neapel zusammen mit ihren Anhängern - "alten Böcken, Kokotten" und "jungen Halbleichnamen". Doch insgeheim wünscht sie sich ein eigenes Kind. Voller Unrast durch Europa reisend, erfährt sie aus dem Mund des Arztes - der Wunsch nach dem Kinde wird unerfüllt bleiben. Zu dem ersten Blutsturz gesellen sich asthmatische Anfälle. Die Sterbenskranke besucht den Maler Halm in Oberitalien auf dem Lande. Er malt nicht mehr, spielt Landwirt und hat mit einer jungen Bäuerin einen kleinen Sohn. Halm möchte die sterbende Herzogin noch einmal malen. Daraus wird nichts. Die Herzogin kehrt ins wärmere Neapel zurück.
Nino kommt in Genua "in einem verrufenen Hause" um. Das Herz der Herzogin setzt zeitweise aus. "Die Stolzeste unter den Glücklichen" bekommt Herzkrämpfe. An ihr Sterbebett eilen Generalvikar Tamburini und Baron Rustschuk. Der Baron wirkt auch als Finanzmann für die Kirche. Tamburini ist auf das Vermögen der Herzogin aus, bekommt es aber nicht, obwohl er Seelenheil in Aussicht stellt. Rustschuk kann es nicht verwinden, dass er offenbar als einziger Mann im Umkreis der Herzogin diese nicht besessen hat. Das möchte er kurioserweise auf dem Sterbebett unter allen Umständen nachholen, ehe es zu spät ist. Die Herzogin vermacht Teile ihres Vermögens dem treuen Personal und stirbt, "von allen Gewalten des heißen Lebens verwüstet".
Diana, Minerva, Venus
Die Göttinnen Diana, Minerva und Venus aus der römischen Mythologie geben den drei Bänden des Romans ihre Namen. In dem eingangs genannten Heinrich-Mann-Zitat vom 2. Dezember 1900 gibt der Autor bereits eine bündige Antwort nach dem Warum der Namensgebung. Im Romantext wird das Zitat untermauert.
Diana, von den Römern auch nach der griechischen Artemis gebildet, war kinderlos, wollte frei sein und keinem Manne untertan - drei Eigenschaften, die voll und ganz auf die Herzogin von Assy, wie sie im ersten Band dargestellt ist, zutreffen. Leider Gottes wird die Herzogin vergewaltigt, ist also keine Jungfrau mehr wie die vorbildliche Göttin.
Im zweiten und dritten Band allerdings wandelt sich die Herzogin von der "politischen Abenteurerin" Diana über die "Kunstschwärmerin" Minerva zur Venus. Obwohl im zweiten Band - sein Titel sagt es: Minerva, die Schutzgöttin der Dichter - das mäzenatische Verhalten der Herzogin überwiegt, ist sie auch immerzu Venus, will auch immerfort frei sein. Sämtliche drei Bände können geradezu gelesen werden als überladenes Sinnbild der Liebesgöttin Venus. Heinrich Mann schwelgt über hunderte von Seiten hinweg in der Beschreibung der Kunstwerke, wie er sie in Rom, Venedig, Neapel und in den Umgebungen der drei Städte vorfand. Allerdings beschränkt sich der Autor nicht auf die bloße Deskription der reichen Kunstschätze Italiens, sondern er unternimmt unermüdlich einen waghalsigen Versuch nach dem anderen, Kunst und Sexus zu mischen. Einige Protagonisten, gemeint sind - um ein Wort Heinrich Manns zu verwenden - besonders die "brünstigen" (wie die Lady Olympia im zweiten Band), vermengen, wenn sie im Roman denken dürfen, unausgesetzt ihre Sexphantasien mit den omnipräsenten Werken der Bildenden Kunst und Malerei.
Relief, Neapel: Museo Archeologico Nazionale
Die Bildhauerin Properzia vergleicht die Herzogin mit einer venezianischen Minerva-Statue. Die Herzogin sagt von sich, schöne Werke gäben ihr Rausch und Macht. Aber wenn sie die Kunst langweile, gehe sie ihrer Wege. Die Herzogin glaubt, ihr ganzes Leben sei ein Kunstwerk. Bis zu Ende möchte sie es durchspielen.
Rustschuk bezeichnet die Herzogin in Neapel als "die Göttin der Liebe".
Seinen Dichterruhm verdankt Jean Guignol der Herzogin, jener "großen Freiheitsdurstigen, unmöglichen Schönheitssüchtigen" und in Neapel "Wollüstigen".
In der Herzogin ist, "was hohes Lebensgefühl schafft: Freiheitssucht, Kunstfieber" und "Liebeswut".
Im Sterben sieht die Herzogin drei Bilder
"eine schlanke Frau, den silbernen Bogen auf der Hüfte",
"eine mit Helm und Speer" und
eine "mit schwellenden Brüsten, und öffnete gewaltige Glieder"[3].
Zitate
In der Politik gibt es keine Wahrheit, es gibt nur Erfolge[4].
Du kannst mich nicht anders töten, als indem du dich selbst zerstörst[5].
Unser ist die Sehnsucht nach der Schönheit, nicht ihre Erfüllung[6].
Verlohnt es sich in diesem flüchtigen Leben wirklich, zu lügen?[7]
Die fahrenden Ritter sind alle unsterblich[8].
Talent ist gut für jene, die sich als Menschen nicht durchzusetzen vermögen[9].
Wir sind nur einen Augenblick schön[10].
Eine Geliebte versteht man nicht[11].
Selbstzeugnisse
In der Wiener Tageszeitung "Die Zeit" schreibt Heinrich Mann am 13. Januar 1903 über "Die Göttinnen"[12]:
"Ich habe keine blaue Romantik erfinden wollen, sondern eine Wirklichkeit, intensiver gesehen als man sie sieht."
"Das Leben einer mit Leidenschaft lebenden Frau habe ich mit drei starken Motiven erfüllt: Freiheit, Kunst, Liebe. Die Herzogin von Assy ist nacheinander Diana, Minerva, Venus."
1939 schaut Heinrich Mann ein halbes Jahrhundert zurück in seine Jugendzeit, wie er von Nietzsche beeinflusst wurde, bevor er "Die Göttinnen" ins Auge fasste: "Dieser Philosoph ... stellte an die Spitze seiner geforderten Gesellschaft den stolzen Geist - warum nicht uns selbst? Nach uns der König, die Adligen und Krieger, dann lange nichts. Welcher Zwanzigjährige läßt sich das zweimal sagen? Das Selbstbewußtsein kommt vor aller Leistung; überspannt ist es gemeinhin, solange es unbewiesen ist; im Lauf der Arbeiten bescheidet es sich, um gründlicher zu werden"[13].
Rezeption
Richard Wengraf schreibt 1903: "Heinrich Manns Romantrilogie ist eine Dichtung von unerhörter Gewalt, die aus unserer epischen Literatur einsam emporragt; es ist eine Kunst ohne Vorfahren"[14].
Erich Mühsam schreibt 1907: "Über diesen drei Romanen weht reine italische Luft. Wie die Herzogin von Assy das Kunstwerk ihres Lebens genießt,... in immer schöner Haltung, das ist unerhört groß. Die Frau, die im ersten Roman ‚Diana‘ ein Volk in ihrem Namen revoltieren läßt, im zweiten ‚Minerva‘ eine Welt in Kunst aufbaut, und im dritten ‚Venus‘ als Hohepriesterin der Liebe endigt, steht neben ihrem Leben"[14].
Schröter[15] betrachtet im Roman "Die Faszinierung durch das Exotische als Heilmittel vom Haß auf die Welt der Bürger".
Ebersbach[16] charakterisiert die Herzogin von Assy: "Sie ist ... frei von philosophischen und religiösen Vorurteilen, ohne nationale Bindung, gewissenlos wie der ‚Übermensch‘ des ‚Zarathustra‘ und niemandem verantwortlich als sich selbst. In allen Entscheidungen gibt sie der Ästhetik den Vorrang gegenüber jeglicher Moral".
Ebersbach[17] spricht "die leicht irritierende Stofffülle" an: "Es ist der Vorrang der Figurenzeichnung gegenüber der Fabelführung."
Hocke[18] nennt die Herzogin "selbstbewußt und gebildet, ... von Anfang bis Ende ein Mensch, der sich, auf Gedeih und Verderb, behauptet,..." auch "wenn" ihre "Abenteuer erfolglos verlaufen".
Koopmann schreibt über "Die Göttinnen":
"Heinrich Mann hat hier ... versucht, ein von Nietzsche her vorgeformtes ... Lebensgefühl literarisch umzusetzen"[19].
Nietzsches ‚Wille zur Macht‘ sei "umgesetzt in realistisch-satirische Gesellschaftsszenen"[20].
Sprengel[21] weist auf zwei textglobale Aspekte des Romans hin:
Das "rigorose" Auftreten der Herzogin dürfe nicht mit "Menschenverachtung oder Herzlosigkeit" verwechselt werden. Im Gegensatz zu ihren Freundinnen Blà und Properzia halte sich die Herzogin von folgenschweren "Abhängigkeiten frei".
Das grundsätzliche Anliegen des Autors sei die "narrative Umsetzung von Nietzsches Kunst-Metaphysik".
Literatur
Quelle
Heinrich Mann: Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1976.
Ausgaben
Heinrich Mann: Die Göttinnen. Die drei Romane der Herzogin von Assy. S. Fischer, ISBN 3-10-047819-3
Sekundärliteratur
Klaus Schröter: Heinrich Mann. Reinbek bei Hamburg 1967, S. 49-53. ISBN 3-499-50125-2
Sigrid Anger (Hrsg.): Heinrich Mann. 1871-1950. Werk und Leben in Dokumenten und Bildern. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1977. S. 74-76, S. 87-96
Volker Ebersbach: Heinrich Mann. Philipp Reclam jun. Leipzig 1978 S. 84-100.
Brigitte Hocke: Heinrich Mann. Leipzig 1983, S. 34-39.
Helmut Koopmann in: Gunter E. Grimm, Frank Rainer Max (Hrsg.): Deutsche Dichter. Leben und Werk deutschsprachiger Autoren. Band 7: Vom Beginn bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 1991, S. 21-24. ISBN 3-15-008617-5
Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1900-1918. München 2004, S. 329-331. ISBN 3-406-52178-9
Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A-Z. Stuttgart 2004, S. 410. ISBN 3-520-83704-8
Zwischen den Rassen ist ein Verführungsroman von Heinrich Mann, begonnen 1905 und erschienen im Mai 1907.
Die junge Lola Gabriel mit der geschulten Altstimme liebt den sehr zurückhaltenden Deutschen Arnold Acton. Doch das sinnliche blonde Mädchen fällt auf den Hasardeur Graf Pardi aus Florenz herein. Die Ehe mit ihm scheitert, und die ernüchterte junge Frau findet zu ihrer ersten Liebe zurück.
Inhaltsverzeichnis
1 Figuren
2 Handlung
2.1 Deutschland
2.2 Italien
3 Hintergrund
3.1 Autobiographische Züge
3.2 Rassen
3.3 Gesellschaftskritik
4 Selbstzeugnisse
5 Rezeption
6 Literatur
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Figuren
Lola Gabriel.
Gustav Gabriel, Lolas Vater, genannt Pai, Deutscher.
Frau Gabriel, Lolas Mutter, genannt Mai, Brasilianerin.
Paolo Gabriel, Lolas Bruder in Brasilien.
Tini, Lolas Verwandte väterlicherseits auf einem bayerischen Anwesen zwischen Kufstein und Rosenheim.
Erneste, Lolas deutsche Gouvernante.
Arnold Acton.
Conte Cesare Augusto Pardi aus Florenz.
Handlung
Lola lebt seit früher Kindheit, behütet und treu umsorgt von der altjüngferlichen Ernestine, getrennt von den Eltern, in Deutschland. Als der Vater in Brasilien stirbt, ist Lola sechzehn Jahre alt. Lolas Mutter, die "dunkle, weiche Schönheit", kommt aus Rio und Erneste hat ausgedient. Mai und Lola reisen durch die Welt. Paolo verdient in Südamerika das Geld und schickt den beiden Damen ab und zu einiges davon.
Deutschland
In Freiheit
Des Lebens in Hotelzimmern überdrüssig, verlassen Mai und Lola Oberitalien. Sie quartieren sich bei ihren bayerischen Verwandten ein. Dort freundet sich Lola mit Tini und Arnold Acton an.
Die junge Tini, aus ihrer ländlichen Heimat noch nicht groß herausgekommen, freut sich, dass ihr mit Lola nun eine Verwandte ganztags zur Verfügung steht, die schon etwas von der Welt gesehen hat. So vergewissert sich Tini bei Lola, wie man erkennen kann, ob man verliebt ist. Lola weiß darauf mehr als eine Antwort: Zum Beispiel, wenn das Mädchen in der Nähe des Liebhabers ruhiger wird, ist das ein ziemlich sicheres Zeichen. Dabei markiert Lola lediglich die Erfahrenere. Entjungfert wird sie erst viel später vom Ehemann Pardi (siehe unten).
Arnold Acton logiert im Hause der Verwandten und will schnurstracks nach München abreisen, als Mai und Lola nahen. Angeblich brauche er wieder einmal ein wenig Stadt. In Wahrheit aber ist Arnold extrem schüchtern. So wartet auch Lola auf schier endlosen Spaziergängen durch das sommerliche Oberbayern vergebens auf eine Liebeserklärung. Arnold philosophiert in freier Natur unter vier Augen mit Lola über Gott und die Welt, erklärt sich jedoch nicht. Lola wartet und wartet, erfährt aber nur Belangloses: Arnold hat den "Trieb, zu gestalten". Arnolds Liebe zu Italien kommt zur Sprache, die aber später erlosch.
Ein ganz anderer Kerl ist da der Graf Pardi aus Florenz, der sich besuchsweise bei Verwandten in der Nachbarschaft aufhält. Dieser italienische Draufgänger könnte vom Alter her Lolas Vater sein und hat 1896 die Schlacht von Adua mitgemacht. Pardi gebärdet sich als Salonlöwe und macht Mai den Hof. Mai ist entzückt und reagiert eifersüchtig, als sich Pardi nebenbei auch noch Lola zuwendet. Zwar verachtet Lola Pardis Gehabe, ist jedoch beeindruckt von der Männlichkeit des Grafen. Ihr erscheint Pardi als "ganzer Mensch", hingegen Arnold als "keiner". Pardi reist ab in seine Heimat - in das toskanische Seebad Viareggio. Mai und Lola, vernarrt in den Grafen, wollen ihren Verwandten nicht länger zur Last fallen und reisen hinterdrein.
Italien
Das Abenteuer
Zunächst endet die Bahnreise der beiden Damen im lombardischen Mantua. Tini hatte, inzwischen erfahrener geworden, das italienische Abenteuer mit einem fingierten Brief heimlich eingefädelt. Bald reist Pardi an und konfrontiert die Damen im Palazzo del Tè mit Kunst - "dem Schwall der Fleischlichkeiten". Lola überläuft es heiß und kalt, als sie unbeabsichtigt ein Gespräch Pardis mit anhört, in dem er einem Freunde vorprahlt, er wollte Lola - hingerissen von ihrer "herben, blonden Eleganz" - einem Deutschen wegnehmen. Lola muss zur Kenntnis nehmen, in Italien liegen die Dinge anders als in Deutschland. Nicht nur, dass sich Pardi für Lola verantwortlich fühlt und sie zur "wirklich weiblichen Frau, die gehorchen kann", erziehen will. Mehr noch, er verhandelt "zum offenen Fenster hinaus über ihren Körper". Zu ihrem Erstaunen lässt sich Lola besiegen und ist erleichtert. Lola redet sich ein, sie habe ein "Recht aufs Glück" und will sich Pardi nicht von Mai wegnehmen lassen. Pardis Freunde schenken Lola reinen Wein ein. Der Graf besaß und besitze mehrere Geliebte. Eine davon, eine geschwängerte, soll Pardi umgebracht haben, indem er den Pferdewagen, mit ihr und sich darauf, absichtlich umwarf. Ab und zu duelliere sich Pardi. Die Pardis, florentinische Bürger, reiche Fellhändler, seien erst spät geadelt worden.
Wenn Lola von Pardi umworben wird, gibt sie sich spröde. Zunächst möchte sie geheiratet werden. Pardi hat es mit der Hochzeit nicht eilig. Auch Mai will eine Heirat der beiden, denn Pardi, der Lola nachsteige, kompromittiere die Tochter. Überdies müsse Lola versorgt werden, denn der Geldstrom von der Großen Insel versiegte langsam. Mai wolle gern auf Pardi, ihren Schwarm, verzichten.
Zu ihrer Mutter sagt Lola, sie liebe Pardi gar nicht, doch einem Freunde Pardis bekennt Lola, sie liebe den Grafen. Durch solches und ähnliches mutwilliges Verhalten meint Lola, sie habe Pardi ins nächste Duell getrieben. Lola möchte den Tod von Pardis Gegner unbedingt verhindern und überlegt. Was tun? Sollte sie sich Pardi hingeben? Mai, praktischer gesinnt, hat den Ausweg. Lola folgt ihm: Sie schlägt Pardi vor, er solle sich nicht duellieren, sondern sie heiraten.
Insgeheim aber schwankt Lola doch noch. Denn eigentlich liebt sie Arnold. Außerdem nimmt sie untrügliche Zeichen wahr: Pardi liebt Mai und nicht sie. Aber da stürmt Pardi in ihr Zimmer und fragt sie gereizt, ob sie ihn endlich ehelichen wolle. Zornig bejaht Lola.
Die Verführung
Johann Jakob Frey:
In der Campagna
Die junge Gräfin Lola, die Contessa Pardi, steht nun unter der Vormundschaft des Gatten. Der führt sie in seinen Palast nach San Gregorio in die Campagna nahe bei Spello. Die Ehe wird vollzogen. Pardi hat, was er wollte und will mehr. Lola erfährt von Frauen in San Gregorio - etliche Geliebte hat der Graf dort gehabt. Pardi und seine Saufkumpane seien mit einer dieser Frauen nicht zimperlich umgegangen. Von Auspeitschung ist die Rede. Eine andere dieser ehemaligen Geliebten, sie ist verheiratet, hat von Pardi ein Kind und liebt den Grafen immer noch. Jene weiht Lola in die Geheimnisse der Wollust ein. Darum geht es - um die Verführung Lolas durch Pardi zur Wollust. Heinrich Mann beschreibt das nun nicht direkt, sondern ergeht sich in Andeutungen. Was für "fleischlicher Irrsinn" ist gemeint, wenn von Lolas "entweihtem Mund" erzählt wird? Alles in allem: Lola, von der immer noch nach Pardi schmachtenden, "genußsüchtigen" Frau ins Bild gesetzt, lässt sich verführen. Aufgestachelt "von Eleganz und Roheit", macht sie im Bett und im dunklen Palastgarten, "begehrlich erregt", fast alles mit. Pardis Verführung gelingt vollständig. Lola erreicht unter "frechen Liebesschreien" den "Gipfel der Lust" und muss gegen böse Gelüste ankämpfen. Sie spielt mit dem Gedanken, die Kinder im Palast vom Diener schlagen zu lassen.
Die Ernüchterung
Mit Pardi "tief durch Schmutz" gegangen, nach Florenz heimgekehrt, wird Lola wiederum Ohrenzeuge einer Prahlerei Pardis vor Freunden, hört angewidert mit, wie er "ihren Körper zergliedert", hie und da "ein sehr schmutziges Wort" einflicht und obendrein ihre "Gelehrigkeit" rühmt. Lola wird sich ihrer Schande bewusst.
Pardi, der seine Zeugungskraft früher in San Gregorio bewiesen hat, will ein Kind. Lola wird nicht schwanger und hält sich für unfruchtbar. Pardi verspielt sein Vermögen, nimmt eine Geliebte nach der anderen und bringt die leichten Mädchen einfach mit in den Palast. Pardi, inzwischen verschuldet, macht sogar die Fresken an seinem Palast, ein Werk von Luca Giordano, zu Geld.
Verzweifelt beklagt Lola ihr Los. In der Fremde hat sie ihr Glück selbstsüchtig verspielt und wurde zu Pardis "schmutziger Magd". Unrein geworden, müsse sie nun büßen. Eigentlich, so meint sie, sei sie "in jedem Lande fremd". Mai ist wieder nach Brasilien zurück zu Paolo und schreibt nicht. Der inzwischen gestorbenen Erneste trägt Lola ihre Engherzigkeit nach.
Als Pardi die Hurerei auf die Spitze treibt, kommt es zum Eklat. Lola will aus dem Fenster des Palastes springen. Sie gesteht Pardi, sie liebe einen anderen und wirft ihm vor, er habe sie "gemein und elend gemacht". Auf den Genuss folgt also das Leiden.
Die Hoffnung
Aber da kommt Phantast Arnold aus Deutschland daher. Sofort in seinem Italien wieder heimisch, gesteht er Lola seine Liebe. Nun muss er aus Lolas Munde erfahren, dass sie vom eigenen Ehemann betrogen wird. Lola beichtet Arnold einiges von ihren Orgien mit Pardi. Arnold schluckt die Neuigkeit und konstatiert nur, Lola sei sinnlich und krank. Er wolle sie heilen. Auf endlosen Ausflügen durch die Toskana kommen sich Lola und Arnold langsam wieder näher. Pardi ahnt, ihm schwimmen die Felle davon. Der "Ehrenmann" möchte den Turteltauben den Hals umdrehen, kann dem äußerst vorsichtigen Liebespaar aber nichts nachweisen.
Das Maß ist voll, als Lola einen Brief Mais in die Finger kriegt. Daraus geht hervor, Pardi ist vor der Ehe zu Lolas Mutter ins Bett unter der Bedingung, dass er als Lohn für den Beischlaf Lola bekommt. Lola wurde sozusagen von der Mutter verkauft.
Diese Neuigkeit quittiert Arnold nun mit dem absonderlichen Vorschlag, dem "gehetzten Dasein" zu entkommen - gemeinsam in den Tod zu gehen. Lola aber will leben, will besser werden. Arnold kann Pardi nicht hassen. Er verachtet Gewalt.
Pardi, der ruiniert ist, hat das Gesetz auf seiner Seite. Lola muss mit ihm gehen, selbst wenn er in San Gregorio Schweine züchte. Zunächst sieht es so aus, als ob Arnold Lola verließe. Lola ist betrübt. Und das Ende der Geschichte: Arnold kehrt zurück und fordert Pardi zum Duell, weil der ungehobelte Italiener Lola den Hals umdrehen wollte.
Hintergrund
Autobiographische Züge
Heinrich Manns Großmutter mütterlicherseits war die Brasilianerin Maria da Silva. Überdies tritt im Roman ein Herr da Silva als Nebenfigur kurz auf.
Nach Anger gibt es für die Lola ein Vorbild: "Inés Schmied, geboren 1883, war die Tochter eines argentinischen Plantagenbesitzers, der aus Deutschland eingewandert war. Sie bereiste mit ihrer Mutter ... Europa. Inés Schmied wollte Sängerin ... werden. Heinrich Mann lernte sie in Florenz kennen. Er bewahrte von ihr nahezu 100 Briefe und Karten aus der Zeit von 1905 und 1909."[1]
Heinrich Mann hielt sich[2]
vom November 1893 bis zum März 1894 in Florenz
im März/April 1894 in Viareggio
vom Januar 1895 (mit Unterbrechungen) bis 1898 in der Campagna (meist in Palestrina) und
1905 in Oberbayern auf.
Die Beschreibung der italienischen Landschaft gehört zweifelsfrei zu den literarisch eindrucksvollsten Passagen dieses Buches.
Rassen
Heinrich Mann verwendet den Begriff Rasse nicht ideologisch, sondern phänotypisch. Lola sagt von sich, sie habe "beide Rassen" in sich, "die germanische und die lateinische". Also beobachtet sie im phänotypischen Sinne Merkmale an sich. Von der lateinamerikanischen Mutter habe sie das Temperament und vom Vater die Tiefe.[3]
Gesellschaftskritik
In jedem Werk Heinrich Manns aus späterer wilhelminischer Zeit stößt der Leser irgendwann einmal auf Gesellschaftskritik.
In San Gregorio presst Pardi einem armen Pächter die Pacht ab. Lola wehrt sich nach Kräften gegen die schreiende Ungerechtigkeit, erweist sich jedoch als schwach und machtlos.
Lola, durch ihre Heirat in den florentinischen Adel vorgedrungen, muss sich in ihrer neuen Gesellschaftsschicht gegen die Diskriminierung des ihr sympathischen Sozialisten Ricchetti wehren.[4]
Selbstzeugnisse
"Dieser Recensent hat es schlau gefunden, sich an das Sprachliche zu halten; aber seien Sie überzeugt: das eigentlich ihm Feindliche ist die Welt meines Buches, sind seine Leidenschaften und seine Tendenzen" (Heinrich Mann in einem Brief vom 23. Oktober 1907 an Maximilian Brantl, in dem er sich auf eine Rezension des Romans von Wilhelm Michel bezieht.[5])
Am Ende einer Erwähnung des Romans zitiert Ebersbach[6] aus einer autobiographischen Schrift Heinrich Manns vom 21. Februar 1911: "Ich habe mich viel in Italien aufgehalten: anfangs um der Farben und Linien willen, die hier Land und Kunst haben, allmählich aber immer mehr aus Interesse am Volk."
Rezeption
Zeitgenossen
In dem Brief vom 7. Juni 1907 an den Bruder hebt Thomas Mann eigentlich nur gute Eigenschaften des Textes hervor: "...keine Tendenz, keine Beschränktheit, keine Verherrlichung und Verhöhnung, kein Trumpfen auf irgend etwas und keine Verachtung, keine Parteinahme in geistigen, moralischen und aesthetischen Dingen..."[7] und fügt bei: "Dein menschlichstes... zugleich Dein souveränstes und künstlerischstes" [Buch][8].
"Immer wieder fällt mir auf, wie es in Deinen Büchern, besonders aber in diesem, von Personen wimmelt, die man wiedererkennt und von erlebten Einzelheiten" (Die Schwester Carla Mann in einem Brief vom 20. Juni 1907 an Heinrich Mann.)[9]
"... wer hat je Stücke Landschaft so glänzend gebildet, um sie dann einfach auf das treibende Blut einer Geschichte zu werfen ..." (Rilke 1907.)[5]
Besprochen wurde der Roman noch von Oskar Bulle[10] (1907), Ludwig Ewers (1907), Max Brod (1907), Waldemar Bonsels (1907), Carl Busse (1907), K. Schultze (1908), Walter Behrend[11] (1908), Friedrich Ranke (1908), Carl Korn (1908)[12], Ilse Frapan-Akunian (1908), Albert Julius Wentzel[13] (1908), Kurt Martens (1910) und J. Sandmeier-Goettersberg (1916).[14]
Neuere Äußerungen
Teure Erinnerung: Im Spiegel vom 8. Oktober 1958 wird dem Romanautor während des Kalten Krieges Schwülstigkeit unterstellt.
Emrich[15] vergleicht diesen "intimen-analytischen Roman" - wie ihn der Autor genannt hat - mit anderen Arbeiten Heinrich Manns sowie Prosa seiner Vorgänger und Zeitgenossen.
Sprengel[16] fasst den Roman zusammen. Der "deutsche Träumer und Dichter Arnold Acton" helfe Lola. Durch ihn sei sie zum Romanende auf dem besten Weg hin zu ihrer verloren gegangenen Identität, zu ihren anfänglich ausgeprägten musischen Ambitionen, zu ihrem früheren höheren sittlichen Wollen.
Literatur
Quelle
Zwischen den Rassen. Ein Roman. Siebenter Band in: Heinrich Mann: Gesammelte Romane und Novellen. Kurt Wolff Verlag Leipzig. Das 26. bis 35. Tausend. Gedruckt bei Dr. Reinhold & Co, Leipzig, 577 Seiten.
Ausgaben
Zwischen den Rassen. Roman. Mit einem Nachwort von Elke Emrich und einem Materialanhang, zusammengestellt von Peter-Paul Schneider. Fischer Taschenbuch 5922, Frankfurt am Main 1987. Studienausgabe in Einzelbänden (Lizenzgeber: Claassen Düsseldorf), ISBN 3-596-25922-3. 530 Seiten.
Sekundärliteratur
Klaus Schröter: Heinrich Mann. S. 63-66. Reinbek bei Hamburg 1967, ISBN 3-499-50125-2.
Sigrid Anger (Hrsg.): Heinrich Mann. 1871 -1950. Werk und Leben in Dokumenten und Bildern. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1977, 586 Seiten.
Volker Ebersbach: Heinrich Mann. S. 118-124. Philipp Reclam jun. Leipzig 1978, 392 Seiten.
Brigitte Hocke: Heinrich Mann. Mit 62 Abbildungen. S. 39-40. Leipzig 1983, 110 Seiten.
Helmut Koopmann in: Gunter E. Grimm, Frank Rainer Max (Hrsg.): Deutsche Dichter. Leben und Werk deutschsprachiger Autoren. Band 7: Vom Beginn bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. S. 15-39. Stuttgart 1991, ISBN 3-15-008617-5.
Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1900 - 1918. München 2004, ISBN 3-406-52178-9.
Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A - Z. S. 410. Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83704-8.
Weblinks
Jens Sadowski: Volltext online im Project Gutenberg
anno 2006: Paulo Astor Soethe Universidade Federal do Paraná
Eintrag im WorldCat
Eintrag bei HathiTrust
Eine Übertragung ins Russische erschien in Moskau unter dem Titel Golos krovi (Голос крови - Stimme des Blutes)[17]
Der Autor teilt am 2. Dezember 1900 seinem Verleger Albert Langen über Die Göttinnen mit: "Es sind die Abenteuer einer großen Dame aus Dalmatien. Im ersten Theile glüht sie vor Freiheitssehnen, im zweiten vor Kunstempfinden, im dritten vor Brunst. Sie ist bemerkenswerther Weise ein Mensch und wird ernst genommen; die meisten übrigen Figuren sind lustige Thiere".[1]
Inhaltsverzeichnis
1 Figuren
2 Handlung
2.1 Erster Band: Die Herzogin - eine Diana in Rom
2.2 Zweiter Band: Die Herzogin - eine Minerva in Venedig
2.3 Dritter Band: Die Herzogin - eine Venus in Neapel
3 Diana, Minerva, Venus
4 Zitate
5 Selbstzeugnisse
6 Rezeption
7 Literatur
8 Einzelnachweise
Figuren
Zara
Violante, Herzogin von Assy
Dr. Pavic, der Tribun, dalmatinischer Revolutionär, Christ
Baron Christian Rustschuk, Vermögensverwalter der Herzogin, Finanzier
Prinz Philipp (auch: Phili), Thronfolger im dalmatinischen Königshaus
Rom
Marchese di San Bacco, Christ, Demokrat und Edelmann, italienischer Abgeordneter, Oberst, Commendatore, Garibaldianer, Freiheitskämpfer, ehemals Korsar, Diktator
Monsignore Tamburini, Vikar des Kardinals in Palestrina
Kardinal Graf Anton Burnsheimb
Gräfin Cucuru
Vinon Cucuru, Tochter der Gräfin
Lilian Cucuru, Tochter der Gräfin
Advokat Orfeo Piselli, Patriot
Contessa Beatrice, genannt Blà (auch: Bice), Dichterin, Freundin der Herzogin
Paolo Della Pergola, Journalist
Venedig
Properzia Ponti, Bildhauerin
Lady Olympia Ragg, eine in Europa "umherstreichende Unkeusche"
Jakobus von Halm, Wiener Maler in Italien
Bettina von Halm, seine in Wien lebende Gattin
Linda von Halm, beider Töchterchen
Contessa Clelia Dolan, Halms Maklerin
Maurice de Mortœil aus Paris, ihr Gatte
Conte Dolan, ihr Vater, ehemals Properzias Makler
Nino Degrandis
Gina Degrandis, seine Mutter
Neapel
Jean Guignol, Dichter, Gatte von Vinon Cucuru
Don Saverio Cucuru, Bruder von Vinon
Sir 'Houston, Sohn Lady Olympias
Handlung
Der Roman handelt im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Er führt nach Zara (die alte Hauptstadt des Königreichs Dalmatien in der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn), Rom, Venedig und Neapel sowie in die weiteren Umgebungen dieser drei italienischen Städte.
Erster Band: Die Herzogin - eine Diana in Rom
Einband der Erstausgabe 1903
Tiziano Vecellio (* um 1477; † 1576): Diana und Kallisto
Die Flucht nach Italien
Die Besitzer der Ländereien in Dalmatien sind Italiener. Die einheimische slawische Bevölkerung, die Morlaken, sind Habenichtse. In einem "Waschzettel" schreibt Heinrich Mann um 1902: "In dem ersten ihrer Romane sieht man die Herzogin jung, nach Freiheit und nach Thaten dürstend, und immer in Bewegung, wie eine Jägerin Diana, ihr Land Dalmatien durchstreifen ... Sie veranlaßt politische Aufstände ... Anstatt Königin zu werden, muß die Herzogin über das Meer flüchten".[2] Im offenen Boot über die stürmische Adria immer westwärts, wird die "sehr schlanke" Frau mit den "schmalen Schultern" vom feigen Pavic begleitet, einem dalmatinischen Staatsverbrecher und "romantischen Revolutionär". Pavic war in Zara ihr Werkzeug während ihrer dalmatinischen Revolution im aussichtslosen Kampf um Freiheit, Gerechtigkeit, Aufklärung und Wohlstand. Pavic, "der fromme Sohn armer Leute", war es auch, der die 22 Jahre junge Witwe in ihrem Palast auf dem Sofa unter der goldenen Herzogskrone vergewaltigte. Pavic zeigte der Herzogin gleich hinterher Gewissensbisse, aber das Opfer mit den "gerundeten Armen" zuckte nur die Schulter. Pavic kann sich seine Schwäche unmittelbar nach dem Geschlechtsakt nicht verzeihen, denn der Mann muss die Frau demütigen, meint er. Auf der Flucht verliert Pavic auf hoher See den einzigen Sohn. Das Kind wird bei rauer See über Bord der schwerfälligen Segelbarke gespült. Pavic kann den Verlust nicht verwinden und gibt der Herzogin die Schuld. Die Flüchtlinge landen bei Ancona.
Die dalmatinische Mönchsrevolte
Als politischer Flüchtling findet die "unfromme" Herzogin, der "bunte Vogel", Asyl bei den Mönchen im Kloster in der grauen Bergstadt Palestrina. Die Herzogin weiß, ihre Volksrede in Zara, die Pächterunruhen und überhaupt - ihre ganze Revolution in Dalmatien hat sie durch ihr romantisches Vorgehen, durch ihr Ungeschick, verdorben. Also gibt sie den zweiten Versuch der "dalmatinischen Staatsumwälzung" in professionellere - sprich katholische - Hände. Vikar Monsignore Tamburini zettelt von Rom aus eine Revolte an, die von dalmatinischen Mönchen forciert wird. Auch diese scheitert. Der Vikar war nur auf das Geld der Herzogin aus. Da er es nicht erhält, macht er seinem Ärger Luft. Die Herzogin, nicht verlegen, gibt zurück, "das Leben von einigen tausend Menschen" sei ihr und ihm "völlig gleichgültig". Tamburinis Vorgesetzter, der Kardinal, duldet scheinheilig die revolutionären Umtriebe des machtgierigen, geldhungrigen Untergebenen. Gräfin Cucuru, "seit vierzig Jahren die Mätresse des Kardinals", versucht ebenfalls, ihr Geschäft mit der Asylantin zu machen. Brieflich verrät sie die Revolte der verbannten Herzogin an den dalmatinischen Gesandten in Rom.
Die Finanzministerin
Pavic lernt auf dem Korso den Advokaten Orfeo Piselli kennen und stellt ihn der Herzogin vor. Die Blà, Römerin, Dichterin, vertraute Freundin und Kassenverwalterin der Herzogin, verliebt sich sofort unsterblich in den Advokaten. Piselli ist ein Glücksspieler, der die erforderlichen Mittel aus der herzoglichen Kasse entwendet. Das wird möglich, nachdem die Blà ihm sexuell hörig geworden ist. Schließlich sucht er die "überanstrengte, abgemagerte" Dichterin nur noch mit der Reitpeitsche auf. Selbst in diesem Stadium kann die Durchgeprügelte nicht von dem Unhold lassen und gibt ihm das letzte Geld. Die Blà wird von Piselli lebensbedrohlich verletzt. Die Herzogin besucht die Freundin, als diese auf dem Sterbelager liegt, hält ihr ihren Verrat vor und verzeiht ihr schließlich die Untreue.
Der Demokrat
Marchese di San Bacco, einer der Freiheitskämpfer um Pavic, macht der Herzogin einen Heiratsantrag und wird abgewiesen. San Bacco verlässt Rom und begibt sich umgehend in das nächste Revolutionsgebiet - nach Bulgarien. Später kommt er wieder.
Der Skribent
Der Journalist Paolo Della Pergola ist in die Herzogin "vollständig verliebt" und geht ebenfalls gleich aufs Ganze. Er will der Herzogin seine Feder leihen für Dalmatien, das Ziegenreich. Die schöne junge Frau aber möchte er dafür als Bezahlung besitzen. Die vorsichtige Herzogin fordert einen sichtbaren Erfolg der Schreiberei Della Pergolas, bevor sie seine Geliebte wird. Pavic, der Eifersüchtige, macht dem Mann neben der Druckerpresse einen Strich durch die Rechnung. Pavic plaudert dem "ekelhaft ruhmredigen" Della Pergola sein Geheimnis aus - eben jenes mit der Herzogin auf dem Sofa unter der goldenen Herzogskrone. Der tief enttäuschte Skribent publiziert einen verleumderischen Artikel. Tribun Pavic lässt den Schreiber "bühnengerecht" ermorden. Der Tribun selber nimmt keinen Dolch in die Hand. Er kann kein Blut sehen.
Der Maler
Jakobus Halm malt die Herzogin. Mit dem Porträt möchte er einen Hochmut darstellen, "der nur sich kennt". Das Malen ist diesem Künstler Zwang geworden.
Das Finale
Nach der gescheiterten zweiten dalmatinischen Revolte wird die Herzogin vom dalmatinischen Gesandten in Rom aufgesucht. Erfreulicherweise, so eröffnet ihr der Besuch, wurde die Konfiskation ihrer Güter aufgehoben. Dann warnt er sie noch vor ihren Freunden. Obwohl der Gesandte zu den Siegern gehört und die ganze Zeit zu einer Verliererin spricht, kommt er sich hinterher unterlegen vor und fragt sich: "Welche Macht hat diese Frau?"
Die Freundin Blà ist gestorben, und die Herzogin fühlt sich in Rom heimatlos. Ihr Vermögen hat die Herzogin zurück. Also will sie sich fürderhin ganz der Kunst widmen und geht nach Venedig. Schließlich ist sie die späte Enkelin eines Condottiere der Republik.
Zweiter Band: Die Herzogin - eine Minerva in Venedig
Einband des Erstdruckes 1903
Minerva
Endstation Irrenhaus
Der zweite Band Minerva eruiert die Frage: Wird sich die Herzogin zum Beischlaf mit dem Maler Halm bereitfinden? Die Herzogin macht es sich und dem Leser nicht leicht. In einem selbstquälerischen Prozess, der über fast neun Jahre verläuft, ringt sie sich schließlich am Ende des zweiten Bandes zu dem Akt - oder einer ganzen Serie von solchen - durch. Das kann nicht so schnell gehen, denn die Herzogin will unbedingt frei sein. Halm hingegen fordert von der Frau seiner Wahl Unterwerfung. Dafür ist die Herzogin zunächst nicht zu haben. Genauso hartnäckig wie die Herzogin allerdings ist auch Halm. Kurz entschlossen reist der 35-Jährige der Herzogin von Rom nach Venedig hinterdrein und bleibt die ganzen Jahre in ihrem Umkreis. Immer "das Tier in sich", fordert Halm von der Herzogin, mitunter ziemlich unhöflich, dass sie ihn "erhören muß". Natürlich stößt er da bei der adeligen Dame auf Widerstand. Die Herzogin, die langsam älter, aber keineswegs kälter wird, ist noch "formenreich, gepflegt, sehr weiblich und überaus begehrenswert". Erst als Halms Gattin Bettina, vor der sich der potente Gatte ekelt, aus Wien auf Betreiben der Intrigantin Contessa Clelia Dolan anreist, lässt sich die Herzogin von Halms Ehefrau zur Venus-Rolle überreden: Der 44-jährige Meister könne das große Kunstwerk Venus doch nur schaffen, wenn er das inzwischen 39-jährige Modell zuvor gründlich beschlafe. Gesagt, getan - unter "den schweren Bildern eines keuchenden Glücks stürmt" Halm "auf die Glieder" der Herzogin ein. Es kommt, wie es kommen muss. Die Venus wird nicht gemalt. Halm will sein Nackt-Modell nur noch vergewaltigen. Wie Fremde gehen beide auseinander. Bettina, die ihren Ehemann sehr liebt, hat den Mund zu voll genommen und landet im Irrenhaus.
Nino
Die Vorgänge im zweiten Band sind weit komplizierter und vor allem verflochtener, als soeben in ein paar Sätzen zusammengefasst. Die Herzogin, beständig auf der Hatz nach dem Schönen, sucht dieses nicht nur in der Kunst, sondern auch im Lebendigen. Also verfolgt sie den schönen Knaben Nino Degrandis, der an der Hand seiner verzagten Mutter Gina Degrandis durch Venedig streift. Gina ist in Betrachtung ihrer "lieben Kunstwerke" versunken. Die Herzogin wirft tiefe Blicke, die schließlich von dem 13-Jährigen schüchtern erwidert werden. Wie es der Zufall will - die Herzogin erkennt in Gina eine ihrer ersten Fluchthelferinnen von damals auf dem Wege nach Palestrina (siehe oben). Gina ist das bedauernswerte Opfer eines rohen Gatten.
Die zarte Liebesgeschichte zwischen Nino und der Herzogin gipfelt in einem gemeinsamen Aufenthalt des ungleichen Paares auf einem märchenhaften Anwesen in der Umgebung Venedigs. Obwohl die Herzogin für die Abwesenheit der Mutter Ninos gesorgt hat, passiert nichts zwischen dem "Paar". Die Herzogin ist die erste Liebe Ninos, der inzwischen 14 Jahre alt geworden ist. Die Herzogin nennt Nino nur ihren Freund. Als dann der Maler Halm erscheint und sich endlich als Beischläfer hervortun möchte, hat Nino seine Schuldigkeit getan und wird von der paarungsbereiten Herzogin fortgeschickt. Sobald er ein Mann ist, darf Nino vielleicht wiederkommen, doch nicht nach Venedig.
Noch einen Herren, der aus dem ersten Band bekannt ist, nennt die Herzogin ihren Freund - den alten Ritter Marchese di San Bacco, aus Bulgarien längst heimgekommen und gerade mal Politiker in Rom. San Bacco, der die Herzogin noch zärtlicher als früher liebt, ist inzwischen über sechzig Jahre alt. Der Marchese, der sich von seinen "parlamentarischen Fechterkünsten" in der Provinz erholt, macht sich seinerseits Nino zum Freund, indem er dem sehnlichsten Wunsch des schwächlichen Nino entgegenkommt - Mann werden, um die Herzogin zu lieben. Man ficht mit Stöcken. Man benimmt sich ehrenhaft. San Bacco duelliert sich mit seinem Feinde, dem Herrn Maurice von Mortœil aus Paris - natürlich wegen einer Nichtigkeit.
Mortœil
Properzia Ponti (siehe unten) ist Mortœil bis zuletzt genau so ergeben wie Blà es Piselli war (erster Band). Allerdings peitscht Mortœil Properzia nicht aus. Der "spitzfindige Schwächling" treibt sie mit feineren Mitteln ins Verderben. Properzia, die große starke Bildhauerin, wurde auch vom Conte Dolan ausgebeutet und zwar künstlerisch. Mortœil wird der Schwiegersohn Dolans, indem er Clelia ehelicht. Clelia, herrschsüchtig, die sich zu Halms "Herrin aufwarf", will die Herzogin und den Maler auseinander bringen. Nino, der ja die Herzogin liebt, hasst auch den Nebenbuhler Halm. Nino hasst obendrein Mortœil, weil dieser Pariser sich mit seinem geliebten San Bacco duellierte und dabei dem väterlichen Freund das Gesicht arg zersäbelte. Der Ehrenmann San Bacco aber verzeiht nach seinem 33. Duell selbst solche bedenklichen Schmisse gern.
Geschichten über Geschichten - "Die sich erdolchte"
Die Geschichte der Herzogin von Assy rahmt teilweise anrührende Binnenerzählungen. Da ist Properzia, "eine von Europas berühmten Frauen": Bildhauerin, vormals Bauernkind aus der römischen Campagna, "nie schön gewesen" und Vergewaltigungsopfer wie die Herzogin. Zwar physisch stark, unterliegt sie zwei noch stärkeren Männern. Properzia steht somit in der Reihe der Verliererinnen als da sind: Blà, Gina und Bettina. Blà und Properzia können gleichsam als Schwestern angesehen werden: Sind sie doch beide begnadete Künstlerinnen, halten doch beide Abgewiesenen - "lächerlich und großartig, ohne Scham und ohne Würde" - an dem heiß geliebten Manne fest, unbegreiflicherweise auch noch, nachdem dieser sie in den Dreck "gestampft" hat. Schließlich erdolcht sich Properzia.
Das Finale
Der alte Marchese di San Bacco stirbt. Die Herzogin, 40-jährig, in sich "die Kraft von hundert Menschenleben", im Gegensatz zu ihren glücklosen Freundinnen die ewige Gewinnerin, geht nach Neapel.
Dritter Band: Die Herzogin - eine Venus in Neapel
Einband des Erstdruckes 1903
Alessandro Allori (* 1535 † 1607): Venus und Cupido
Leute glücklich machen
Das Sterben der Herzogin wird im dritten Band erzählt. An ihrem Sterbebett bekennt einer ihrer Feinde, er habe "nie und nirgends einen Heiden gesehen, wie diese Frau einer war". Zunächst aber liebt die Heidin noch begierig, ohne "Maß und Ende", schenkt einem "wilden Ziegenhirten" nahe bei Neapel ein Landgut, das dieser, auf einmal "patriarchalischer Despot" geworden, an sich reißt. Die Herzogin schätzte jene bäurischen Typen schon in Dalmatien, in Rom und in Venedig. Ein "junger Flötenbläser" liebt die Herzogin am Strande. Nicht nur ihre "ausladenden Hüften", ihre "Arme, weiß und edel", ihre "volle und weiße Schulter" machen ihm zu schaffen. Im Umkreis der Herzogin lieben den armen Flötenbläser noch andere Frauen so lange, bis er stirbt.
In Neapel, einem Zentrum der zur See fahrenden mediterranen Welt, landen die Reichen und Mächtigen als Vergnügungsreisende selbst von fernen Ufern. Auch aus Dalmatien reist Phili, König von Dalmatien geworden, mit seinem mächtigen Minister Rustschuk an. Beide Herren möchten von der Herzogin geliebt werden. Phili macht ihr in perfektem Wienerisch einen Antrag; will sogar seine Königin zum Teufel jagen. Die Herzogin hat nichts übrig für Phili, den Rustschuk, dieser Opportunist und Verräter, zum König gemacht hat. Wäre doch die Herzogin nach dem Tode des Königs Nikolaus genauso eine Thronanwärterin gewesen.
Auch die Kinder jener Gräfin Cucuru aus Rom - Lilian, Vinon und Don Saverio - versammeln sich in Neapel um die Herzogin. In Rom halfen sie ihrer Mutter, die Herzogin beim dalmatinischen Gesandten zu denunzieren, und nun in Neapel wetteifern sie mit der Herzogin, die "Leute glücklich zu machen". Lilian veranstaltet "lesbische Spiele".
Zu den Glücksuchern zählt auch der Dichter Jean Guignol. Er schätzt die Herzogin ein als den "leichten Geist", als "ein Spiel, das täglich neu ist; sehr gütig, frivol, grausam, achtlos" und "übermütig". Guignol ist hin und her gerissen. Soll sich sein Geist dem Fleisch, das Venus heißt, unterwerfen? Er fürchtet sich vor der "steinernen und grausamen" Venus. Die Herzogin hingegen findet den Dichter langweilig. Wohlgefällig hingegen ruht ihr Auge auf Don Saverio, einem "wildriechenden Tier", das über sie herfällt. Da geschieht auf einmal etwas ganz Neues. Als Don Saverio sich wieder nackt vor der Herzogin reckt und streckt, zittert sie vor ihm. Aus ist es mit ihrer Unbekümmertheit. Sie will aber nicht zu den Schwachen zählen. Inzwischen im "kritischen Lebensalter" angekommen, hat die Herzogin nach "starken Umarmungen" Herzbeschwerden. "Kleine Wäscherinnen" liebt die Herzogin auch. Lady Olympia reist an und ihr erwachsener Sohn Sir Houston.
Ninos Wiederkehr
Nino, inzwischen schön, stark und erwachsen geworden, taucht auf. Die Herzogin und Nino lieben sich während eines Sommergewitters in der Meeresbrandung. Nach dem Akt mit dem Jüngling entsteigt die nicht mehr junge Herzogin den Fluten gleichsam als die "Schaumgeborene". Rustschuk, der die Herzogin unbedingt auch einmal besitzen möchte, so wie die vielen Männer in Neapel sie besessen haben, will Nino für seine Absicht einspannen. Nino, ein neuer Garibaldi, ist nicht käuflich. In Gesprächen mit der Herzogin erfährt Nino, wonach seine Geliebte strebte: nach Freiheit, nach Kunst und nach Liebe. Nino bleibt nicht lange in Neapel. Auswärts kämpft er in einer Schar junger Männer gegen den Sozialismus. Die verlassene Herzogin tröstet sich, ungeachtet ihres "mürben Fleisches", mit anderen jungen Mädchen und Männern. Auch Sir Houston steigt, mit Genehmigung seiner Mutter, zu der "Anbeterin des menschlichen Körpers" ins Bett. Solcher "Ausbruch später Wollust" hinterlässt mit der Zeit Spuren. Nach Übelkeit, Schwindel und Herzklopfen nimmt die Herzogin, ein wenig müde von den vielen Männern, Morphin.
Das Finale
Jean Guignol tötet sich. Die Herzogin feiert unbeeindruckt und unbekümmert weiter entlang des Golfs von Neapel zusammen mit ihren Anhängern - "alten Böcken, Kokotten" und "jungen Halbleichnamen". Doch insgeheim wünscht sie sich ein eigenes Kind. Voller Unrast durch Europa reisend, erfährt sie aus dem Mund des Arztes - der Wunsch nach dem Kinde wird unerfüllt bleiben. Zu dem ersten Blutsturz gesellen sich asthmatische Anfälle. Die Sterbenskranke besucht den Maler Halm in Oberitalien auf dem Lande. Er malt nicht mehr, spielt Landwirt und hat mit einer jungen Bäuerin einen kleinen Sohn. Halm möchte die sterbende Herzogin noch einmal malen. Daraus wird nichts. Die Herzogin kehrt ins wärmere Neapel zurück.
Nino kommt in Genua "in einem verrufenen Hause" um. Das Herz der Herzogin setzt zeitweise aus. "Die Stolzeste unter den Glücklichen" bekommt Herzkrämpfe. An ihr Sterbebett eilen Generalvikar Tamburini und Baron Rustschuk. Der Baron wirkt auch als Finanzmann für die Kirche. Tamburini ist auf das Vermögen der Herzogin aus, bekommt es aber nicht, obwohl er Seelenheil in Aussicht stellt. Rustschuk kann es nicht verwinden, dass er offenbar als einziger Mann im Umkreis der Herzogin diese nicht besessen hat. Das möchte er kurioserweise auf dem Sterbebett unter allen Umständen nachholen, ehe es zu spät ist. Die Herzogin vermacht Teile ihres Vermögens dem treuen Personal und stirbt, "von allen Gewalten des heißen Lebens verwüstet".
Diana, Minerva, Venus
Die Göttinnen Diana, Minerva und Venus aus der römischen Mythologie geben den drei Bänden des Romans ihre Namen. In dem eingangs genannten Heinrich-Mann-Zitat vom 2. Dezember 1900 gibt der Autor bereits eine bündige Antwort nach dem Warum der Namensgebung. Im Romantext wird das Zitat untermauert.
Diana, von den Römern auch nach der griechischen Artemis gebildet, war kinderlos, wollte frei sein und keinem Manne untertan - drei Eigenschaften, die voll und ganz auf die Herzogin von Assy, wie sie im ersten Band dargestellt ist, zutreffen. Leider Gottes wird die Herzogin vergewaltigt, ist also keine Jungfrau mehr wie die vorbildliche Göttin.
Im zweiten und dritten Band allerdings wandelt sich die Herzogin von der "politischen Abenteurerin" Diana über die "Kunstschwärmerin" Minerva zur Venus. Obwohl im zweiten Band - sein Titel sagt es: Minerva, die Schutzgöttin der Dichter - das mäzenatische Verhalten der Herzogin überwiegt, ist sie auch immerzu Venus, will auch immerfort frei sein. Sämtliche drei Bände können geradezu gelesen werden als überladenes Sinnbild der Liebesgöttin Venus. Heinrich Mann schwelgt über hunderte von Seiten hinweg in der Beschreibung der Kunstwerke, wie er sie in Rom, Venedig, Neapel und in den Umgebungen der drei Städte vorfand. Allerdings beschränkt sich der Autor nicht auf die bloße Deskription der reichen Kunstschätze Italiens, sondern er unternimmt unermüdlich einen waghalsigen Versuch nach dem anderen, Kunst und Sexus zu mischen. Einige Protagonisten, gemeint sind - um ein Wort Heinrich Manns zu verwenden - besonders die "brünstigen" (wie die Lady Olympia im zweiten Band), vermengen, wenn sie im Roman denken dürfen, unausgesetzt ihre Sexphantasien mit den omnipräsenten Werken der Bildenden Kunst und Malerei.
Relief, Neapel: Museo Archeologico Nazionale
Die Bildhauerin Properzia vergleicht die Herzogin mit einer venezianischen Minerva-Statue. Die Herzogin sagt von sich, schöne Werke gäben ihr Rausch und Macht. Aber wenn sie die Kunst langweile, gehe sie ihrer Wege. Die Herzogin glaubt, ihr ganzes Leben sei ein Kunstwerk. Bis zu Ende möchte sie es durchspielen.
Rustschuk bezeichnet die Herzogin in Neapel als "die Göttin der Liebe".
Seinen Dichterruhm verdankt Jean Guignol der Herzogin, jener "großen Freiheitsdurstigen, unmöglichen Schönheitssüchtigen" und in Neapel "Wollüstigen".
In der Herzogin ist, "was hohes Lebensgefühl schafft: Freiheitssucht, Kunstfieber" und "Liebeswut".
Im Sterben sieht die Herzogin drei Bilder
"eine schlanke Frau, den silbernen Bogen auf der Hüfte",
"eine mit Helm und Speer" und
eine "mit schwellenden Brüsten, und öffnete gewaltige Glieder"[3].
Zitate
In der Politik gibt es keine Wahrheit, es gibt nur Erfolge[4].
Du kannst mich nicht anders töten, als indem du dich selbst zerstörst[5].
Unser ist die Sehnsucht nach der Schönheit, nicht ihre Erfüllung[6].
Verlohnt es sich in diesem flüchtigen Leben wirklich, zu lügen?[7]
Die fahrenden Ritter sind alle unsterblich[8].
Talent ist gut für jene, die sich als Menschen nicht durchzusetzen vermögen[9].
Wir sind nur einen Augenblick schön[10].
Eine Geliebte versteht man nicht[11].
Selbstzeugnisse
In der Wiener Tageszeitung "Die Zeit" schreibt Heinrich Mann am 13. Januar 1903 über "Die Göttinnen"[12]:
"Ich habe keine blaue Romantik erfinden wollen, sondern eine Wirklichkeit, intensiver gesehen als man sie sieht."
"Das Leben einer mit Leidenschaft lebenden Frau habe ich mit drei starken Motiven erfüllt: Freiheit, Kunst, Liebe. Die Herzogin von Assy ist nacheinander Diana, Minerva, Venus."
1939 schaut Heinrich Mann ein halbes Jahrhundert zurück in seine Jugendzeit, wie er von Nietzsche beeinflusst wurde, bevor er "Die Göttinnen" ins Auge fasste: "Dieser Philosoph ... stellte an die Spitze seiner geforderten Gesellschaft den stolzen Geist - warum nicht uns selbst? Nach uns der König, die Adligen und Krieger, dann lange nichts. Welcher Zwanzigjährige läßt sich das zweimal sagen? Das Selbstbewußtsein kommt vor aller Leistung; überspannt ist es gemeinhin, solange es unbewiesen ist; im Lauf der Arbeiten bescheidet es sich, um gründlicher zu werden"[13].
Rezeption
Richard Wengraf schreibt 1903: "Heinrich Manns Romantrilogie ist eine Dichtung von unerhörter Gewalt, die aus unserer epischen Literatur einsam emporragt; es ist eine Kunst ohne Vorfahren"[14].
Erich Mühsam schreibt 1907: "Über diesen drei Romanen weht reine italische Luft. Wie die Herzogin von Assy das Kunstwerk ihres Lebens genießt,... in immer schöner Haltung, das ist unerhört groß. Die Frau, die im ersten Roman ‚Diana‘ ein Volk in ihrem Namen revoltieren läßt, im zweiten ‚Minerva‘ eine Welt in Kunst aufbaut, und im dritten ‚Venus‘ als Hohepriesterin der Liebe endigt, steht neben ihrem Leben"[14].
Schröter[15] betrachtet im Roman "Die Faszinierung durch das Exotische als Heilmittel vom Haß auf die Welt der Bürger".
Ebersbach[16] charakterisiert die Herzogin von Assy: "Sie ist ... frei von philosophischen und religiösen Vorurteilen, ohne nationale Bindung, gewissenlos wie der ‚Übermensch‘ des ‚Zarathustra‘ und niemandem verantwortlich als sich selbst. In allen Entscheidungen gibt sie der Ästhetik den Vorrang gegenüber jeglicher Moral".
Ebersbach[17] spricht "die leicht irritierende Stofffülle" an: "Es ist der Vorrang der Figurenzeichnung gegenüber der Fabelführung."
Hocke[18] nennt die Herzogin "selbstbewußt und gebildet, ... von Anfang bis Ende ein Mensch, der sich, auf Gedeih und Verderb, behauptet,..." auch "wenn" ihre "Abenteuer erfolglos verlaufen".
Koopmann schreibt über "Die Göttinnen":
"Heinrich Mann hat hier ... versucht, ein von Nietzsche her vorgeformtes ... Lebensgefühl literarisch umzusetzen"[19].
Nietzsches ‚Wille zur Macht‘ sei "umgesetzt in realistisch-satirische Gesellschaftsszenen"[20].
Sprengel[21] weist auf zwei textglobale Aspekte des Romans hin:
Das "rigorose" Auftreten der Herzogin dürfe nicht mit "Menschenverachtung oder Herzlosigkeit" verwechselt werden. Im Gegensatz zu ihren Freundinnen Blà und Properzia halte sich die Herzogin von folgenschweren "Abhängigkeiten frei".
Das grundsätzliche Anliegen des Autors sei die "narrative Umsetzung von Nietzsches Kunst-Metaphysik".
Literatur
Quelle
Heinrich Mann: Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1976.
Ausgaben
Heinrich Mann: Die Göttinnen. Die drei Romane der Herzogin von Assy. S. Fischer, ISBN 3-10-047819-3
Sekundärliteratur
Klaus Schröter: Heinrich Mann. Reinbek bei Hamburg 1967, S. 49-53. ISBN 3-499-50125-2
Sigrid Anger (Hrsg.): Heinrich Mann. 1871-1950. Werk und Leben in Dokumenten und Bildern. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1977. S. 74-76, S. 87-96
Volker Ebersbach: Heinrich Mann. Philipp Reclam jun. Leipzig 1978 S. 84-100.
Brigitte Hocke: Heinrich Mann. Leipzig 1983, S. 34-39.
Helmut Koopmann in: Gunter E. Grimm, Frank Rainer Max (Hrsg.): Deutsche Dichter. Leben und Werk deutschsprachiger Autoren. Band 7: Vom Beginn bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 1991, S. 21-24. ISBN 3-15-008617-5
Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1900-1918. München 2004, S. 329-331. ISBN 3-406-52178-9
Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A-Z. Stuttgart 2004, S. 410. ISBN 3-520-83704-8
Zwischen den Rassen ist ein Verführungsroman von Heinrich Mann, begonnen 1905 und erschienen im Mai 1907.
Die junge Lola Gabriel mit der geschulten Altstimme liebt den sehr zurückhaltenden Deutschen Arnold Acton. Doch das sinnliche blonde Mädchen fällt auf den Hasardeur Graf Pardi aus Florenz herein. Die Ehe mit ihm scheitert, und die ernüchterte junge Frau findet zu ihrer ersten Liebe zurück.
Inhaltsverzeichnis
1 Figuren
2 Handlung
2.1 Deutschland
2.2 Italien
3 Hintergrund
3.1 Autobiographische Züge
3.2 Rassen
3.3 Gesellschaftskritik
4 Selbstzeugnisse
5 Rezeption
6 Literatur
7 Weblinks
8 Einzelnachweise
Figuren
Lola Gabriel.
Gustav Gabriel, Lolas Vater, genannt Pai, Deutscher.
Frau Gabriel, Lolas Mutter, genannt Mai, Brasilianerin.
Paolo Gabriel, Lolas Bruder in Brasilien.
Tini, Lolas Verwandte väterlicherseits auf einem bayerischen Anwesen zwischen Kufstein und Rosenheim.
Erneste, Lolas deutsche Gouvernante.
Arnold Acton.
Conte Cesare Augusto Pardi aus Florenz.
Handlung
Lola lebt seit früher Kindheit, behütet und treu umsorgt von der altjüngferlichen Ernestine, getrennt von den Eltern, in Deutschland. Als der Vater in Brasilien stirbt, ist Lola sechzehn Jahre alt. Lolas Mutter, die "dunkle, weiche Schönheit", kommt aus Rio und Erneste hat ausgedient. Mai und Lola reisen durch die Welt. Paolo verdient in Südamerika das Geld und schickt den beiden Damen ab und zu einiges davon.
Deutschland
In Freiheit
Des Lebens in Hotelzimmern überdrüssig, verlassen Mai und Lola Oberitalien. Sie quartieren sich bei ihren bayerischen Verwandten ein. Dort freundet sich Lola mit Tini und Arnold Acton an.
Die junge Tini, aus ihrer ländlichen Heimat noch nicht groß herausgekommen, freut sich, dass ihr mit Lola nun eine Verwandte ganztags zur Verfügung steht, die schon etwas von der Welt gesehen hat. So vergewissert sich Tini bei Lola, wie man erkennen kann, ob man verliebt ist. Lola weiß darauf mehr als eine Antwort: Zum Beispiel, wenn das Mädchen in der Nähe des Liebhabers ruhiger wird, ist das ein ziemlich sicheres Zeichen. Dabei markiert Lola lediglich die Erfahrenere. Entjungfert wird sie erst viel später vom Ehemann Pardi (siehe unten).
Arnold Acton logiert im Hause der Verwandten und will schnurstracks nach München abreisen, als Mai und Lola nahen. Angeblich brauche er wieder einmal ein wenig Stadt. In Wahrheit aber ist Arnold extrem schüchtern. So wartet auch Lola auf schier endlosen Spaziergängen durch das sommerliche Oberbayern vergebens auf eine Liebeserklärung. Arnold philosophiert in freier Natur unter vier Augen mit Lola über Gott und die Welt, erklärt sich jedoch nicht. Lola wartet und wartet, erfährt aber nur Belangloses: Arnold hat den "Trieb, zu gestalten". Arnolds Liebe zu Italien kommt zur Sprache, die aber später erlosch.
Ein ganz anderer Kerl ist da der Graf Pardi aus Florenz, der sich besuchsweise bei Verwandten in der Nachbarschaft aufhält. Dieser italienische Draufgänger könnte vom Alter her Lolas Vater sein und hat 1896 die Schlacht von Adua mitgemacht. Pardi gebärdet sich als Salonlöwe und macht Mai den Hof. Mai ist entzückt und reagiert eifersüchtig, als sich Pardi nebenbei auch noch Lola zuwendet. Zwar verachtet Lola Pardis Gehabe, ist jedoch beeindruckt von der Männlichkeit des Grafen. Ihr erscheint Pardi als "ganzer Mensch", hingegen Arnold als "keiner". Pardi reist ab in seine Heimat - in das toskanische Seebad Viareggio. Mai und Lola, vernarrt in den Grafen, wollen ihren Verwandten nicht länger zur Last fallen und reisen hinterdrein.
Italien
Das Abenteuer
Zunächst endet die Bahnreise der beiden Damen im lombardischen Mantua. Tini hatte, inzwischen erfahrener geworden, das italienische Abenteuer mit einem fingierten Brief heimlich eingefädelt. Bald reist Pardi an und konfrontiert die Damen im Palazzo del Tè mit Kunst - "dem Schwall der Fleischlichkeiten". Lola überläuft es heiß und kalt, als sie unbeabsichtigt ein Gespräch Pardis mit anhört, in dem er einem Freunde vorprahlt, er wollte Lola - hingerissen von ihrer "herben, blonden Eleganz" - einem Deutschen wegnehmen. Lola muss zur Kenntnis nehmen, in Italien liegen die Dinge anders als in Deutschland. Nicht nur, dass sich Pardi für Lola verantwortlich fühlt und sie zur "wirklich weiblichen Frau, die gehorchen kann", erziehen will. Mehr noch, er verhandelt "zum offenen Fenster hinaus über ihren Körper". Zu ihrem Erstaunen lässt sich Lola besiegen und ist erleichtert. Lola redet sich ein, sie habe ein "Recht aufs Glück" und will sich Pardi nicht von Mai wegnehmen lassen. Pardis Freunde schenken Lola reinen Wein ein. Der Graf besaß und besitze mehrere Geliebte. Eine davon, eine geschwängerte, soll Pardi umgebracht haben, indem er den Pferdewagen, mit ihr und sich darauf, absichtlich umwarf. Ab und zu duelliere sich Pardi. Die Pardis, florentinische Bürger, reiche Fellhändler, seien erst spät geadelt worden.
Wenn Lola von Pardi umworben wird, gibt sie sich spröde. Zunächst möchte sie geheiratet werden. Pardi hat es mit der Hochzeit nicht eilig. Auch Mai will eine Heirat der beiden, denn Pardi, der Lola nachsteige, kompromittiere die Tochter. Überdies müsse Lola versorgt werden, denn der Geldstrom von der Großen Insel versiegte langsam. Mai wolle gern auf Pardi, ihren Schwarm, verzichten.
Zu ihrer Mutter sagt Lola, sie liebe Pardi gar nicht, doch einem Freunde Pardis bekennt Lola, sie liebe den Grafen. Durch solches und ähnliches mutwilliges Verhalten meint Lola, sie habe Pardi ins nächste Duell getrieben. Lola möchte den Tod von Pardis Gegner unbedingt verhindern und überlegt. Was tun? Sollte sie sich Pardi hingeben? Mai, praktischer gesinnt, hat den Ausweg. Lola folgt ihm: Sie schlägt Pardi vor, er solle sich nicht duellieren, sondern sie heiraten.
Insgeheim aber schwankt Lola doch noch. Denn eigentlich liebt sie Arnold. Außerdem nimmt sie untrügliche Zeichen wahr: Pardi liebt Mai und nicht sie. Aber da stürmt Pardi in ihr Zimmer und fragt sie gereizt, ob sie ihn endlich ehelichen wolle. Zornig bejaht Lola.
Die Verführung
Johann Jakob Frey:
In der Campagna
Die junge Gräfin Lola, die Contessa Pardi, steht nun unter der Vormundschaft des Gatten. Der führt sie in seinen Palast nach San Gregorio in die Campagna nahe bei Spello. Die Ehe wird vollzogen. Pardi hat, was er wollte und will mehr. Lola erfährt von Frauen in San Gregorio - etliche Geliebte hat der Graf dort gehabt. Pardi und seine Saufkumpane seien mit einer dieser Frauen nicht zimperlich umgegangen. Von Auspeitschung ist die Rede. Eine andere dieser ehemaligen Geliebten, sie ist verheiratet, hat von Pardi ein Kind und liebt den Grafen immer noch. Jene weiht Lola in die Geheimnisse der Wollust ein. Darum geht es - um die Verführung Lolas durch Pardi zur Wollust. Heinrich Mann beschreibt das nun nicht direkt, sondern ergeht sich in Andeutungen. Was für "fleischlicher Irrsinn" ist gemeint, wenn von Lolas "entweihtem Mund" erzählt wird? Alles in allem: Lola, von der immer noch nach Pardi schmachtenden, "genußsüchtigen" Frau ins Bild gesetzt, lässt sich verführen. Aufgestachelt "von Eleganz und Roheit", macht sie im Bett und im dunklen Palastgarten, "begehrlich erregt", fast alles mit. Pardis Verführung gelingt vollständig. Lola erreicht unter "frechen Liebesschreien" den "Gipfel der Lust" und muss gegen böse Gelüste ankämpfen. Sie spielt mit dem Gedanken, die Kinder im Palast vom Diener schlagen zu lassen.
Die Ernüchterung
Mit Pardi "tief durch Schmutz" gegangen, nach Florenz heimgekehrt, wird Lola wiederum Ohrenzeuge einer Prahlerei Pardis vor Freunden, hört angewidert mit, wie er "ihren Körper zergliedert", hie und da "ein sehr schmutziges Wort" einflicht und obendrein ihre "Gelehrigkeit" rühmt. Lola wird sich ihrer Schande bewusst.
Pardi, der seine Zeugungskraft früher in San Gregorio bewiesen hat, will ein Kind. Lola wird nicht schwanger und hält sich für unfruchtbar. Pardi verspielt sein Vermögen, nimmt eine Geliebte nach der anderen und bringt die leichten Mädchen einfach mit in den Palast. Pardi, inzwischen verschuldet, macht sogar die Fresken an seinem Palast, ein Werk von Luca Giordano, zu Geld.
Verzweifelt beklagt Lola ihr Los. In der Fremde hat sie ihr Glück selbstsüchtig verspielt und wurde zu Pardis "schmutziger Magd". Unrein geworden, müsse sie nun büßen. Eigentlich, so meint sie, sei sie "in jedem Lande fremd". Mai ist wieder nach Brasilien zurück zu Paolo und schreibt nicht. Der inzwischen gestorbenen Erneste trägt Lola ihre Engherzigkeit nach.
Als Pardi die Hurerei auf die Spitze treibt, kommt es zum Eklat. Lola will aus dem Fenster des Palastes springen. Sie gesteht Pardi, sie liebe einen anderen und wirft ihm vor, er habe sie "gemein und elend gemacht". Auf den Genuss folgt also das Leiden.
Die Hoffnung
Aber da kommt Phantast Arnold aus Deutschland daher. Sofort in seinem Italien wieder heimisch, gesteht er Lola seine Liebe. Nun muss er aus Lolas Munde erfahren, dass sie vom eigenen Ehemann betrogen wird. Lola beichtet Arnold einiges von ihren Orgien mit Pardi. Arnold schluckt die Neuigkeit und konstatiert nur, Lola sei sinnlich und krank. Er wolle sie heilen. Auf endlosen Ausflügen durch die Toskana kommen sich Lola und Arnold langsam wieder näher. Pardi ahnt, ihm schwimmen die Felle davon. Der "Ehrenmann" möchte den Turteltauben den Hals umdrehen, kann dem äußerst vorsichtigen Liebespaar aber nichts nachweisen.
Das Maß ist voll, als Lola einen Brief Mais in die Finger kriegt. Daraus geht hervor, Pardi ist vor der Ehe zu Lolas Mutter ins Bett unter der Bedingung, dass er als Lohn für den Beischlaf Lola bekommt. Lola wurde sozusagen von der Mutter verkauft.
Diese Neuigkeit quittiert Arnold nun mit dem absonderlichen Vorschlag, dem "gehetzten Dasein" zu entkommen - gemeinsam in den Tod zu gehen. Lola aber will leben, will besser werden. Arnold kann Pardi nicht hassen. Er verachtet Gewalt.
Pardi, der ruiniert ist, hat das Gesetz auf seiner Seite. Lola muss mit ihm gehen, selbst wenn er in San Gregorio Schweine züchte. Zunächst sieht es so aus, als ob Arnold Lola verließe. Lola ist betrübt. Und das Ende der Geschichte: Arnold kehrt zurück und fordert Pardi zum Duell, weil der ungehobelte Italiener Lola den Hals umdrehen wollte.
Hintergrund
Autobiographische Züge
Heinrich Manns Großmutter mütterlicherseits war die Brasilianerin Maria da Silva. Überdies tritt im Roman ein Herr da Silva als Nebenfigur kurz auf.
Nach Anger gibt es für die Lola ein Vorbild: "Inés Schmied, geboren 1883, war die Tochter eines argentinischen Plantagenbesitzers, der aus Deutschland eingewandert war. Sie bereiste mit ihrer Mutter ... Europa. Inés Schmied wollte Sängerin ... werden. Heinrich Mann lernte sie in Florenz kennen. Er bewahrte von ihr nahezu 100 Briefe und Karten aus der Zeit von 1905 und 1909."[1]
Heinrich Mann hielt sich[2]
vom November 1893 bis zum März 1894 in Florenz
im März/April 1894 in Viareggio
vom Januar 1895 (mit Unterbrechungen) bis 1898 in der Campagna (meist in Palestrina) und
1905 in Oberbayern auf.
Die Beschreibung der italienischen Landschaft gehört zweifelsfrei zu den literarisch eindrucksvollsten Passagen dieses Buches.
Rassen
Heinrich Mann verwendet den Begriff Rasse nicht ideologisch, sondern phänotypisch. Lola sagt von sich, sie habe "beide Rassen" in sich, "die germanische und die lateinische". Also beobachtet sie im phänotypischen Sinne Merkmale an sich. Von der lateinamerikanischen Mutter habe sie das Temperament und vom Vater die Tiefe.[3]
Gesellschaftskritik
In jedem Werk Heinrich Manns aus späterer wilhelminischer Zeit stößt der Leser irgendwann einmal auf Gesellschaftskritik.
In San Gregorio presst Pardi einem armen Pächter die Pacht ab. Lola wehrt sich nach Kräften gegen die schreiende Ungerechtigkeit, erweist sich jedoch als schwach und machtlos.
Lola, durch ihre Heirat in den florentinischen Adel vorgedrungen, muss sich in ihrer neuen Gesellschaftsschicht gegen die Diskriminierung des ihr sympathischen Sozialisten Ricchetti wehren.[4]
Selbstzeugnisse
"Dieser Recensent hat es schlau gefunden, sich an das Sprachliche zu halten; aber seien Sie überzeugt: das eigentlich ihm Feindliche ist die Welt meines Buches, sind seine Leidenschaften und seine Tendenzen" (Heinrich Mann in einem Brief vom 23. Oktober 1907 an Maximilian Brantl, in dem er sich auf eine Rezension des Romans von Wilhelm Michel bezieht.[5])
Am Ende einer Erwähnung des Romans zitiert Ebersbach[6] aus einer autobiographischen Schrift Heinrich Manns vom 21. Februar 1911: "Ich habe mich viel in Italien aufgehalten: anfangs um der Farben und Linien willen, die hier Land und Kunst haben, allmählich aber immer mehr aus Interesse am Volk."
Rezeption
Zeitgenossen
In dem Brief vom 7. Juni 1907 an den Bruder hebt Thomas Mann eigentlich nur gute Eigenschaften des Textes hervor: "...keine Tendenz, keine Beschränktheit, keine Verherrlichung und Verhöhnung, kein Trumpfen auf irgend etwas und keine Verachtung, keine Parteinahme in geistigen, moralischen und aesthetischen Dingen..."[7] und fügt bei: "Dein menschlichstes... zugleich Dein souveränstes und künstlerischstes" [Buch][8].
"Immer wieder fällt mir auf, wie es in Deinen Büchern, besonders aber in diesem, von Personen wimmelt, die man wiedererkennt und von erlebten Einzelheiten" (Die Schwester Carla Mann in einem Brief vom 20. Juni 1907 an Heinrich Mann.)[9]
"... wer hat je Stücke Landschaft so glänzend gebildet, um sie dann einfach auf das treibende Blut einer Geschichte zu werfen ..." (Rilke 1907.)[5]
Besprochen wurde der Roman noch von Oskar Bulle[10] (1907), Ludwig Ewers (1907), Max Brod (1907), Waldemar Bonsels (1907), Carl Busse (1907), K. Schultze (1908), Walter Behrend[11] (1908), Friedrich Ranke (1908), Carl Korn (1908)[12], Ilse Frapan-Akunian (1908), Albert Julius Wentzel[13] (1908), Kurt Martens (1910) und J. Sandmeier-Goettersberg (1916).[14]
Neuere Äußerungen
Teure Erinnerung: Im Spiegel vom 8. Oktober 1958 wird dem Romanautor während des Kalten Krieges Schwülstigkeit unterstellt.
Emrich[15] vergleicht diesen "intimen-analytischen Roman" - wie ihn der Autor genannt hat - mit anderen Arbeiten Heinrich Manns sowie Prosa seiner Vorgänger und Zeitgenossen.
Sprengel[16] fasst den Roman zusammen. Der "deutsche Träumer und Dichter Arnold Acton" helfe Lola. Durch ihn sei sie zum Romanende auf dem besten Weg hin zu ihrer verloren gegangenen Identität, zu ihren anfänglich ausgeprägten musischen Ambitionen, zu ihrem früheren höheren sittlichen Wollen.
Literatur
Quelle
Zwischen den Rassen. Ein Roman. Siebenter Band in: Heinrich Mann: Gesammelte Romane und Novellen. Kurt Wolff Verlag Leipzig. Das 26. bis 35. Tausend. Gedruckt bei Dr. Reinhold & Co, Leipzig, 577 Seiten.
Ausgaben
Zwischen den Rassen. Roman. Mit einem Nachwort von Elke Emrich und einem Materialanhang, zusammengestellt von Peter-Paul Schneider. Fischer Taschenbuch 5922, Frankfurt am Main 1987. Studienausgabe in Einzelbänden (Lizenzgeber: Claassen Düsseldorf), ISBN 3-596-25922-3. 530 Seiten.
Sekundärliteratur
Klaus Schröter: Heinrich Mann. S. 63-66. Reinbek bei Hamburg 1967, ISBN 3-499-50125-2.
Sigrid Anger (Hrsg.): Heinrich Mann. 1871 -1950. Werk und Leben in Dokumenten und Bildern. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1977, 586 Seiten.
Volker Ebersbach: Heinrich Mann. S. 118-124. Philipp Reclam jun. Leipzig 1978, 392 Seiten.
Brigitte Hocke: Heinrich Mann. Mit 62 Abbildungen. S. 39-40. Leipzig 1983, 110 Seiten.
Helmut Koopmann in: Gunter E. Grimm, Frank Rainer Max (Hrsg.): Deutsche Dichter. Leben und Werk deutschsprachiger Autoren. Band 7: Vom Beginn bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. S. 15-39. Stuttgart 1991, ISBN 3-15-008617-5.
Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1900 - 1918. München 2004, ISBN 3-406-52178-9.
Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A - Z. S. 410. Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83704-8.
Weblinks
Jens Sadowski: Volltext online im Project Gutenberg
anno 2006: Paulo Astor Soethe Universidade Federal do Paraná
Eintrag im WorldCat
Eintrag bei HathiTrust
Eine Übertragung ins Russische erschien in Moskau unter dem Titel Golos krovi (Голос крови - Stimme des Blutes)[17]
Ключови думи:
Heinrich Mann, Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy, Zwischen den Rassen
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